Prof. (em.) Dr. Thomas Topfstedt
Leipzig, 10. April 2014
Vor 42 Jahren - Erinnerungen an die Roseburg
Die Roseburg ist für meine Frau und mich mit lieben, unvergesslichen Erinnerungen verbunden. Wir haben am 1. April 1972 in Magdeburg geheiratet und die folgenden Tage auf der Roseburg verbracht. Damals war die Roseburg, wenn man von der anhaltinischen Region einmal absieht, so gut wie unbekannt, wie auch der Name Bernhard Sehrings und sein bedeutendes Werk in der DDR fast völlig in Vergessenheit geraten waren. Da ich Kunstgeschichte studiert hatte und mich für die Architektur der Zeit um 1900 sehr interessierte, horchte ich sofort auf, als ich, mehr beiläufig, von einem Bekannten erfuhr, dass man mit einigem Glück auf der vom Kulturbund Quedlinburg betreuten Roseburg ein Gastzimmer inklusive Frühstück für Kurzurlaube mieten könne.
Wir suchten einen Ort, an dem wir ungestört ein paar Tage ganz für uns sein konnten, denn ich leistete damals meinen Grundwehrdienst bei der NVA ab und erhielt nur eine Woche Hochzeits-Urlaub, so dass größere Reisen sowieso nicht möglich waren. Vom Quedlinburger Kulturbund erhielten wir einen positiven Bescheid auf unsere Anfrage. So reisten wir am 2. April an und bezogen ein geradezu spartanisch ausgestattetes Zimmerchen im Obergeschoss des Wohnturms. Eine herzliche Aufnahme fanden wir bei Frau und Herrn Ellert, die die Burg im Auftrag des Kulturbundes bewirtschafteten und sich um die landschaftsgärtnerische Pflege des Parks kümmerten. Für uns war es ein erhebendes, aber zugleich auch irgendwie surreales Gefühl, in diesem wunderbaren Ensemble quasi allein zu sein, denn weitere Besucher gab es nicht. Das Wetter war nicht sonderlich schön und die Außentemperaturen waren niedrig, weshalb der Park von einer vorfrühlingshaft melancholischen Stimmung erfüllt war, welche zu dem stillen Vor-Sich-Hin-Dämmern der Parkbauten und der zu großen Teilen von einer fortschreitender Verwitterung gekennzeichneten Skulpturen und Architekturspolien gut passte.
Wie die meisten jungen Leute besaßen wir kein eigenes Auto. Daher waren wir, was aber kein Problem war, bei unseren Ausflügen auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, um im Selketal zur Burg Falkenstein zu wandern und nach Quedlinburg und Ballenstedt zu kommen. Viele Stunden haben wir auch im Park der Roseburg verbracht und kamen uns vor wie aus der Zeit gefallen. Vielleicht gibt davon die Zeichnung, mit der wir uns damals im Gästebuch „verewigt“ haben, einen Eindruck. Jedenfalls fiel uns der Abschied am 6. April sehr schwer. Meine Frau ging wieder nach Berlin zum Studium; mich erwartete der triste und langweilige NVA-Alltag mit der Aussicht auf viele Wochen Dienst, bevor es wieder Urlaub gab.
Wir haben in den folgenden Jahren manchmal von den schönen Tagen auf der Roseburg gesprochen und uns vorgenommen, wieder einmal hinzufahren. Es blieb aber beim guten Vorsatz, bis wir diesen zu unserem 42. Hochzeitstag am 1. April 2014 verwirklicht haben. Zu unserer großen Freude konnten wir feststellen, dass eigentlich alles noch so war, wie wir es in Erinnerung behalten haben, allerdings in einem weitaus besseren Zustand. So bleibt uns nur noch zu wünschen, dass die Roseburg und ihr Park als ein komplexes Bau- und Gartendenkmal auch in Zukunft trotz allmählich steigender Besucherzahlen nichts von ihrem auf historischer Authentizität und einfühlsamer Pflege beruhenden Charme verliert. |
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