Meine Lehrjahre auf der Roseburg ...

ein ehemaliger Lehrling blättert in ihren Erinnerungen - und in ihrem Album

1955 bis 1966 hatte die LPG 7. Oktober Rieder ihre Ausbildungsstätte für Geflügelzüchterinnen auf der Roseburg. Hier erhielten zahlreiche Lehrlinge ihre praktische Ausbildung, während parallel dazu die Theorie in der Landwirtschaftsschule Ballenstedt vermittelt wurde. Lernten im dortigen Berufsalltag und dem täglichen Umgang mit immerhin ca. 2.000 Hühnern das 1x1 der Geflügelzucht, spezialisierten ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse, hatten Anteil an den hohen Zuchterfolgen, der Grundstein für die berufliche Zukunft wurde gelegt ... die Lehrjahre eben.

Wer, wenn nicht ein ehemaliger Lehrling, kann von dieser Zeit ausführlich berichten! In Frau Frederike Mölke haben wir eine überaus sympathische Ansprechpartnerin gefunden, die dermaßen interessant und lebendig von ihrer Zeit auf der Burg zu berichten weiß und uns Einblick auf eine nicht unwesentliche Roseburg-Epoche gibt.

Meine Lehrzeit auf der Roseburg 1964/65 - Das Fotoalbum einleitendes Bild der Roseburg von der Landstraße aus

Um so interessanter, da über die LPG-Ära auf der Roseburg bis zum heutigen Tag mit gemischten Gefühlen, aus welchem Grund auch immer, berichtet wird. Darüber zu urteilen liegt uns fern. Vielmehr freuen wir uns über die Tatsache, Zeitzeugen zu begegnen, die dieses Image anhand von positiven Beispielen, eigenen Erfahrungen, nachweisbaren Verdiensten an der Burg sowie Informationen zu den Investitionen korrigieren bzw. ausgleichen.

Die LPG 7. Oktober Rieder hat über 2 Millionen Mark in die Burg investiert - für Teilsanierungen, wichtigste Erhaltungsmaßnahmen, Modernisierung, die aufwendige Pflege des großen Parks. Die Roseburg war ein begehrtes Ferienobjekt und die LPG organisierte z.B. einen regen Urlauberaustausch, der bis ins sozialistische Ausland reichte. Aus- und Weiterbildung wurden groß geschrieben.

"Meine Lehrjahre auf der Roseburg, 1964/65" ... steht auf der ersten Seite des Fotoalbums geschrieben, daneben die schwarz/weiß Aufnahme der Burg von der Landstraße aus ... spärlich bewachsen die Böschung, niedriger die Bäume - noch kein Vergleich zu Heute. Auch die weiteren Fotos zeigen die Burg aus den verschiedensten Blickwinkeln und natürlich auch die Stätten der Geflügelhaltung, die Aufzuchtzentrale, die Brutstation (größtenteils im heute noch als separate Gaststätte genutzten länglichen Mehrzweckgebäude/Anbau unmittelbar an der Burg). Und bei eingehender Bildbetrachtung, Vergleichen anstellen und Details entdecken läßt es sich gut zuhören:

Frau Mölke, geboren in Thüringen, ist heute 53 Jahre und lebt unweit von Halle. Ihrer Ausbildung zur Geflügelzüchterin war 1963 eine einjährige Grundausbildung in einem allgemeinen Landwirtschaftsbetrieb in Thüringen vorausgegangen. Daß es sie im 2. Lehrjahr dann auf eine richtige Burg verschlug, fand sie besonders reizvoll. Hatte aber seinen Grund, denn hier war nun mal die Fachrichtung Geflügelzucht vertreten. Die Fahrten zwischen Ballenstedt und Bad Langensalza legte sie mit ihrem Moped zurück.

Ölgemälde der Roseburg von Herrn Koch - nunmehr die Wohnstube von Frau Frederike Mölke zierend

Die seinerzeit insgesamt 12-13 Lehrlinge wurden sodann voll in den Roseburgalltag integriert und ihnen so das erforderliche umfangreiche Wissen auf den Berufsweg mitgegeben. Und da sind auch noch all die kleinen Erinnerungen: das 2-Bett-Zimmer im als Lehrlingswohnheim genutzten Burgturm, die Spaziergänge im Park, die Weihnachtsfeier oder auch, daß z.B. der "Klappendienst", nämlich das Schließen der Gehege, nur halbwegs beliebt war. Man stelle sich hierzu lebhaft die Belegung von 250 Hühnern pro Stall, mit zugehörigem Auslauf, vor. Und lustig ging's zu, wenn verirrte Junghennen von den Bäumen geholt werden mußten. Aller 14 Tage war ein Wochenenddienst zu verrichten.

Im Vergleich zu heutigen Bedingungen bescheinigt Frau Mölke der dortigen Tierhaltung seinerzeit absolute Vorbildlichkeit.

Und für Disziplin unter den Jugendlichen sorgte in aller Genauigkeit ein Heimleiter. Oh wie ungünstig, daß er fast auf dem Gelände (heutiges Wohnhaus in Parkplatznähe) wohnte und somit absoluten Einblick auf das Treiben der Lehrlinge hatte. Dieser Heimleiter hatte übrigens einen ausgeprägten Sinn dafür, die Burg in Ölfarben festzuhalten. Sehr verständlich, denn die Burg-Silhouette ist seit jeher ein wahrlich schönes Motiv. Natürlich besitzt auch Frau Mölke ein solches Exemplar und es hängt inzwischen zur Erinnerung gerahmt in der Wohnstube. Gern würden wir die Bekanntschaft mit diesem Hobbymaler, Herrn Koch, schließen.

Schnell und prägend verging das Lehrjahr auf der Roseburg und der berufliche Werdegang wurde fortgesetzt. Der Berufsrichtung Geflügelzucht ist sie lang treu geblieben. Mit der Wende hatte sie sich neu zu orientieren und ist nunmehr als Sozialpädagogin in Halle tätig.

Wie treu sie aber auch der Roseburg geblieben ist, das kann man den über viele Jahre hinweg gesammelten Broschüren, aufbewahrten Ansichtskarten, dem Besitz des Videos ("Die Roseburg - Impressionen eines Märchenschlosses") und den vielen weiteren Fotografien anläßlich alljährlicher Burgbesuche entnehmen. Sämtlichst während unseres ausführlichen Gespräches im Café auf dem Tisch ausgebreitet und uns vorübergehend so freundlicherweise zur Sichtung und Verwendung überlassen. Mit aller Aufmerksamkeit verfolgt sie den Werdegang der Roseburg und wünscht sich, wie wir, eine gesunde Lösung, eine lange und verdiente Zukunft für dieses Kleinod. Dank ihrer Aufnahmen kann man höchst interessante und sichere Vergleiche anstellen, bauliche Veränderungen nachvollziehen, ein Stückchen Burggeschichte schreiben ... "von seinerzeit zu unserer Zeit" sozusagen.

Bis zum garantiert nächsten Treffen Ihnen, Frau Mölke, alles erdenklich Gute sowie ein ausgesprochen herzliches Dankeschön!

Halle/Saale, September 2000

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