Februar/März/April 2004 - Hobby & Sammlermarkt

Die Roseburg

der verwirklichte Traum des Berliner Architekten Bernhard Sehring (1855-1941)

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Der Ostharz - unweigerlich klingt das nach Quedlinburg, Hexentanzplatz, Schloß Ballenstedt oder Burg Falkenstein - bekannte und beliebte Ausflugsziele in einer ohnehin sehr reizvollen Region. Aber es gibt ein weiteres Ziel ... etwas abseits, irgendwie vergessen und doch in aller Würde, gelegen auf einer felsigen Anhöhe zwischen den Ortschaften Ballenstedt und Rieder: die Roseburg.

Eine romantische Burganlage mit allem was dazugehört; denn die Zeit scheint stehengeblieben beim Spaziergang entlang der von weißen Putten gesäumten Wege, beim Betreten von endlos scheinenden Säulengängen, Grotten, versteckten Treppchen, entlang an verfallenen Mauern, durchdacht angelegten Gräben, beim Betrachten von unzähligen Details an Statuen, Torbögen, dem Entdecken und Unterscheiden der unterschiedlichsten Stile. Und doch ist es keine alte Burg in dem Sinne, obwohl das Areal unter dem Namen Rudolfsburg bereits im Jahre 964 urkundlich Erwähnung findet und bauliche Reste davon zeugen. Vielmehr handelt es sich um eine regelrechte Kunstburg - seinerzeit in dieser Vielfalt bewußt und kühn vom Architekten inszeniert: Bernhard Sehring.

Nicht das Mittelalter, wie das gesamte Aussehen des Burgkomplexes vermuten lässt, sondern das Jahr 1905 ist es, als dieser Berliner Architekt Bernhard Sehring die Burg, welche man im Volksmund bereits nur noch Roseburg nannte, sowie weiträumiges Gelände aus dem Besitz Anhalt-Dessau erwarb. Die glücklichste Fügung schlechthin - denn der neue Haus- und Bauherr Bernhard Sehring hatte wahrlich viel vor, nämlich die Umsetzung eines lang gehegten Traumes, auf historischem Grund und Boden die Schaffung eines privaten Reiches unter Anwendung all seines Könnens.

Dieses Können hatter er bis zu diesem Zeitpunkt bereits vielfach unter Beweis gestellt; ein Arbeitsleben lang und zwar überaus genial. Und diesen Architekten als genial einzuschätzen ist spätestens dann angebracht, wenn man solch bekannte Bauwerke, wie beispielsweise das Berliner Theater des Westen (1895/1896) das Stadtheater Bielefeld (1902/1904), das in den Kriegsjahren leider zerstörte Schauspielhaus Düsseldorf (1904/05), das Stadttheater Cottbus (1907/08), die Stadthalle Görlitz (1906/10) oder, was manch einer nicht weiß auch die Walpurgishalle (1901) auf dem Hexentanzplatz, als starke Referenz hat.

(Eine anhand von alten Ansichtskarten ausführliche Übersicht dieser und weiterer Bauwerke erhält man unter www.roseburg-harz.de).

Bernhard Sehring hat an all jenen Bauten seine Handschrift klar erkennbar hinterlassen, nämlich seine Vorliebe für Aufwendigkeit am Bau, die Verwendung außergewöhnlicher Details und Elemente, der Hang zum bewußten Stilbruch.

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So auch die Roseburg! Beginnend 1907/08 verwandelte Sehring die Anlage zu einem Kleinod. Es entstand eine regelrechte „alte/neue” Burgkulisse, beginnend mit dem sogenannten Palas mit Burgkapelle, mit einem Wohnturm in der Vorburg, einem Torhaus, dem Wartturm mit Wehrgang sowie diversen Vor- u. Anbauten. Durchweg höchst dekorativ, nichts wurde dem Zufall überlassen, sowohl alte, kostbare Originale als auch aus Betron gegossene Figuren fanden Verwendung - ein Sammelsurium. Bereits 1908 konnte der Architekt die Roseburg als Sommersitz der Familie und stilvolle Herberge für seine gesammelten Kunstschätze nutzen. Bedingt durch den 1. Weltkrieg erfolgte 1914 eine Unterbrechung der Baumaßnahmen, anschließend entstand eine raffiniert angelegte lange Wasserkaskade in der großzügig entstehenden Parkanlage, ein Ausichtsturm mit spektakulärem Blick über das Harzland. 1920 dann erneut Baustopp aufgrund der absinkenden Wirtschaftslage. Das geplante krönende Vorhaben, nämlich der Bau eines Herrenhauses auf dem Gelände, fiel somit der Inflation zum Opfer. 1921 Eingrenzung der gesamten Anlage mit einer durchgängigen Umfassungsmauer sowie Bau eines Gartenhauses und bis 1925 weitestgehende Vollendung des Parkes. Vorbilder für die Parkanlage der Roseburg mögen frühbarocke italienische Gärten, der Stil des englischen Landschaftsgarten des frühen 19. Jahrhunderts gewesen sein sowie blanke Inspiration durch Sehrings diverse Italienreisen - die unterschiedlichsten und exotischten Gehölze und Anpflanzungen in absolut harmonischem Einklang mit einheimischen Gewächsen und der pur vorgegebenen Natur der Region - schon dies ein Glanzstück für sich allein.

Die Parkanlage insgesamt wurde ab 1933 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sehring selbst ließ es sich nicht nehmen, interessierte Besucher mitunter durch die Parkanalage zu führen. Er selbst veröffentlichte in diesem Jahr ein kleines aber informatives Faltblatt „Die Roseburg bei Ballenstedt - Das Märchenschloss des Ostharzes”. Man schrieb inzwischen das Jahr 1935 - im Obstgarten am Nordhang war inzwischen ein Bestand von ca. 900 Obstbäumen aufzuweisen. Inzwischen wurde die wirtschaftliche Lage immer ernster - Bernhard Sehrings finanzielle Lage war wohl stets von Höhen und Tiefen geprägt. Der Bau der Roseburg (1907-25) fällt zwar in seine berufliche Hauptschaffenszeit (1890-1910), so dass er sich diese Extravaganz durchaus leisten konnte, zumal er perfekt in Organisation, Koordination und Beschaffung war. Auch nahm er als Künstler-Architekt hohe Summen für seine Bauten ein, hatte sich aber gegenüber der hohen Konkurrenz, wie in jeder Branche üblich, stets neu zu behaupten. Er investierte und spekulierte aber auch gleichzeitig in diverse Projekte, trat selbst als Grundstücks- und Hauseigentümer auf und verschuldete sich tief und des öfteren. Allerdings und numehr im Alter von 80 Jahren vermerkte Bernhard Sehring „... nun muss ich feststellen, dass ich mit so viel Liebe und Mühe geschaffenen Besitz unvollendet zurücklassen muss ...”. 1941 verstarb Bernhard Sehring im Alter von 86 Jahren in Berlin-Charlottenburg. Die Spur seiner letzten Ruhestätte verliert sich in Berlin.

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Nun beginnt ein Wechsel an Besitzern, die Suche nach Wegen zum Erhalt, Zweckentfremdung, Förderung, öffentliche Nutzung sowie ein Warten auf Dinge, die da noch kommen werden. Sei es die LPG „7. Oktober” Rieder, welche 1955 den Besitz übernahm und u.a. den einst stilvoll angelegten Obstgarten zur Hühnerzucht und die Räumlichkeiten als Ausbildungsstätte für Geflügelzüchterinnen nutzte. Oder sei es 11 Jahre später, als das Objekt an die Kreisorganisation des Deutschen Kulturbund Quedlinburg überging und somit ein Aufschwung begann, der 1968 die öffentliche Nutzung als Naherholungsgebiet zur schönen Folge hatte.

Letztendlich mit der Ausgliederung aus dem Sehringschen Erbe 1984 fand die Roseburg als Kultur- und Erholungszentrum vorerst ihre verdiente Ehrung und öffentliche Nutzung wieder. 1989 die Wiedervereinigung und somit der Auftakt zu einer mühsamen Klärung der Eigentumsverhältnisse. Rückübertragungen sind offen, territoriale Grenzen sind verwischt und müssen neu gesteckt werden. Bleibt die interessante Frage, ob die betagten Anspruchstellerinnen in Form einer Erbengmeinschaft, überhaupt wissen, was für ein wunderschönes Kleinod sie in ihrem vermeintlichen Besitz haben bzw. was sie im Falle der Übertragung - und die Chancen dafür stehen gut - aus der Roseburg machen oder gar nicht machen.

Bis zum heutigen kümmert sich die „Roseburg GbR” mit Sitz auf dem Burggelände um die nötigsten Belange und Verwaltung der Burg. Große und kleine Dinge werden vor Ort bewegt, an Engagement von den verschiedensten Seiten fehlt es keinesfalls - aber an Geld.

Trotz baulichen Verfalls hat die Roseburg bis heute nichts an ihrer Wirkung verloren - davon kann sich der Besucher jederzeit persönlich überzeugen. Ein kleines Café lädt zum Verweilen ein und im Wohnturm können Zimmer reserviert sowie stilvoll im Rittersaal gefeiert werden. Der herrliche Park mit seinen verschlungenen Wegen, schattigen Plätzen hält so manche Überraschung bereit und lädt zum romantischen Spaziergang ein.

Besucher können viel für den Erhalt der Roseburg tun, nämlich sie besuchen, für sich entdecken, weiterempfehlen und nie wieder aus den Augen verlieren.

Einen überaus tiefen Einblick sowohl zur gesamten Historie der Roseburg in Wort und Bild, umrahmt von Erzählungen aus alten Zeiten und Sagen, umfangreiches Textmaterial als auch exakte Informationen zum Leben und Werk des Architekten Sehring bis hin zur Wegbeschreibung etc. erhält man auf der aufwendig gestalteten Roseburg-Homepage: www.roseburg-harz.de. Hier sind u.a. auch all jene Ansichtskarten enthalten, welche die Roseburg als Motiv haben - es dürfen gern noch mehr werden ... Kontakt: info@roseburg-harz.de

Gritta Falke