Wohnhaus Carmerstrasse 11, 1893

Berlin-Charlottenburg

Bernhard Sehring arbeitete nicht nur für öffentliche, sondern auch für private Auftraggeber, so entstanden u.a. zahlreiche Wohnhäuser, größtenteils in Berlin, wie auch seinerzeit um zwei Höfe angelegte Doppelmietshaus Carmerstraße 10-11, Berlin-Charlottenburg.

Optisch ein regelrechtes Kunstwerk inmitten der Berliner Häuserzeilen; über die 5 Etagen hinweg bestückt mit Erkern, Nischen, Balkonen, einem mit Gauben durchsetztem, sehr aufwändigem Dach, versehen mit Türmchen, Zäunchen, Säulen etc. Als Krönung die Fassadenmalerei auf glattem weißen Putz, aufgemaltem Fachwerk an den Gartenfronten - eine außergewöhnliche und phantastische Komposition, wiederum für diesen Architekten so typisch. Er schaffte es sogar, dass die Nachbarhäuser eine ähnliche Fassade erhielten, um das Gesamtbild zu wahren; genial.

Will man diesen einst herrlichen Gebäudekomplex heute ausfindig machen, so ist dies nicht auf den ersten Blick zu realisieren - man läuft glattweg am zwischenzeitlich extrem veränderten Haus vorbei ! Eine blanke, schmuck- und farblose Fassade, gezeichnet von vielen krassen baulichen Veränderungen und Abweichungen. Nur mit Mühe und Phantasie kann man anhand von einigen wenigen Details, wie einem erhaltenen Balkon, Rundbogen oder anhand vereinzelter Fensterformen den Vergleich zum einstigen Prachtwohnhaus wagen, ganz abweichend zum Beispiel das Dach. Leichter ums Herz wird dem aufmerksamen Betrachter, wenn er sich der Rückseite des Hauses, also besagter Gartenfront nähern kann. Plötzlich doch noch Spuren von des Architektens Handschrift in Form von Säulen an den Balkonen, gekonnt gesetzten Raffinessen sowie Baudekor, und, endlich, eine steinerne Löwenfigur im Garten, wie man sie nicht zuletzt von der Roseburg oder Schloß Schermcke her kennt. Natürlich alles verblasst, mit erheblichen Altersspuren, aber hier bekommt man schon eher eine Vorstellung vom einstigen Originalzustand.

Wie schon vermutet, ist also auch dieses Gebäude teilweise dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen. Ein Bombeneinschlag während der ersten Bombardierungen auf Berlin hinterließ derartige Schäden, eine Fliegerbombe durchschlug zwei obere Etagen. Aber nicht nur damit ist das total veränderte Aussehen der Carmerstraße zu erklären; die Häuser wurden leider übertrieben modernisiert in den 50er Jahren.

Das Haus selbst ist heutzutage teilweise bewohnt, stark sanierungsbedürftig, im Erdgeschoß befinden sich, wie schon 1893, Gewerberäume (momentan z.B. ein Antiquariat), denn eine lukrative Wohngegend ist die Straße allemal.

Dankend entnehmen wir einer Leser-Mail die interessante Tatsache, dass von 1931 bis ca. Mitte der 50er Jahre der Bassist der „Comedian Harmonists”, Robert Biberti (*05.06.1902 +02.11.1985), in der Carmerstraße 11 eine 8-Zimmer-Wohnung bewohnte, inklusive Probenraum und Sekretäriat.

(siehe auch: E. Fechner „Die Comedian Harmonists - Sechs Lebensläufe”, Heyne 1988)

Einer weiteren Leser-Mail eines aufmerksamen und langjährigen Fan der Comedian Harmonists verdanken wir neben tiefergehenden Informationen insbesondere die nachstehende Bilddokumente aus jener Zeit. Zum einem der Blick vom Innenhof der Carmerstraße 11 auf die Wohnung des Musikers und zum anderen R. Biberti selbst bei Aufräumungsarbeiten auf dem Dach. Zu dieser Zeit gehörten die Häuser allerdings längst nicht mehr Sehring – er verkaufte 1898 und auch danach gab es mehrere Besitzerwechsel.

Quelle: Originalfotos in Privatbesitz

Darüber stellte uns der aufmerksame Leser noch zwei Zeitzeugnisse zur Verfügung, in denen auf die Carmerstraße 11 hingewiesen wird.

Quelle: Th. Waschkau – vielen Dank!

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