Verträumt - Vergessen - Verschwunden

Verträumt

Die gesamte Roseburg ist übersät mit großen und kleinen sehr schmückenden Details, von Sehring sensibel zusammengetragenen Originalen, Kostbarkeiten die an Ort und Stelle wirken. Mögen die folgenden (noch erhaltenen) Akzente als verträumte Beispiele gelten und dazu beitragen, sich ein Bild von der einstigen kompletten Schönheit machen zu können:

Vergessen

Als vergessen gelten Dinge, die aus den Augen und aus dem Sinn geraten sind, weil nicht (mehr) öffentlich im Blickfeld stehend.

Beschädigt oder „nutzlos” geworden, warten sie auf ihre berechtigte Wiederentdeckung, denn jedes einzelne und oftmals originale Stück ist es wert. Aber immerhin ist „vergessen” nicht mit „verschwunden” gleichzusetzen, zumal die Sanierungs- und Wiederbeschaffungsmaßnahmen momentan in vollem Gange sind.

 

Fast immer ist es der Zufall, eine besondere Gegebenheit, der vergessene Dinge auf einmal wiederentdeckt lässt. So geschehen bei dieser so schlicht anmutenden Tischplatte, die auf der Ballustrade am Ende der Wasserachse scheinbar nur darauf wartet, dass der Ruhe suchende Besucher seine Tasche auf ihr plaziert und sich dem Blick hoch zur längst versiegten Quelle des Brunnens hingibt.

Ein leises Wackeln der Platte lässt Neugier aufkommen. Schließlich ist man ja interessiert. Wenige Handgriffe, eine kleine Anstrengung und aus der simplen betongefertigten Tischplatte wird ein ehemals stolzes löwengeschmücktes Wappen, das um das (Löwen)herz beraubt nunmehr dieses triste Dasein führen muss.

Nur ein paar Wegebiegungen weiter findet man über dem Abgang vom Aussichtsturm ein noch intaktes Gegenstück.

Während der letzten Ausholzungsaktion im Park wurde im Frühjahr 2008 dieser große Stein (wieder)entdeckt. Er ist erstaunlich gut erhalten, lediglich die wohl einst vorhandene Mittelplatte fehlt und auch ist nicht bekannt, wo genau dieser Stein seinen ursprünglichen Platz hatte. Künftig jedenfalls wird er – dann mit neuer Platte versehen – im Park als Wegweiser dienen.

Verschwunden

Das Schlimmste was passieren konnte: Die komplette Sehringsche Kunstsammlung und das Inventar ist in den Kriegs- und Nachkriegsjahren geplündert oder gar vernichtet worden, den Rest besorgte die DDR-Zeit, bis hin sogar zur heutigen Zeit. Was gravierende und mitunter geschmacklose bauliche Veränderungen und Stilbruch betrifft, so kann dies wenigstens mit Fachkenntnis, Denkmalschutz und Gespür irgendwann mal wieder ausgeglichen werden - aber das Inventar ist schwerlich wieder zusammenzutragen.

Um ein wenig nachvollziehen zu können an dieser Stelle ein Auszug aus der Chronik von Bernd Ellert, Quedlinburg, der seinerzeit eine sehr ausführliche Artikel-Serie in der Zeitung veröffentlichte: („Freiheit” 8. Mai 1991/Seite 15) „Am 30. Juni 1945 endete nach dreiundsiebzig Tagen die amerikanische Besatzung im Territorium. In dieser Zeit soll auch die Tochter der Sehrings, Irene von Leuthold mit ihrer Tochter Ilse, in den Westen gegangen sein. In ihrer Begleitung sollen zwei Lastzüge mit wertvollem Inventar der Roseburg, wie Porzellan-Sammlungen, Bibliothek u.v.a. gewesen sein. Die Genehmigung soll der damalige Polizeichef erteilt haben, der gleich mitfuhr und in West-Berlin verblieb, so die Aussagen der Kraftfahrer. Der immerhin noch verbliebene Rest an Kunstgegenständen wurde im März 1955 vom Rat des Kreises Quedlinburg, Abteilung Kultur, inventarisiert und auf verschiedene Einrichtungen aufgeteilt, wie: Museum der Stadt Quedlinburg, Kreisbibliothek Quedlinburg, Staatliche Museen Meiningen u.a.”

Löwenbrunnen am Ende der Wasserkaskade, um 1925 entstanden und in ähnlicher Art auch im Künstlerhaus St. Lucas und Theater Cottbus zu finden. Aber(!) einst gekrönt von einer Glücksbotin („Fortuna gloriosa”) aus Bronze, extra modelliert 1889 vom befreundeten Bildhauer Hans Latt. Denn ursprünglich zierte diese imposante Bronzefigur den von Sehring im Rahmen des 10. Bundesschießen (6.-13. Juli 1890) zu Berlin-Pankow entworfenen Gewinn- und Gabentempel (siehe linkes Bild).

Von dort holte Sehring sie in seinen Roseburg-Park, wo sie, um ein paar Füllhörner ergänzt, einen würdigen Platz erhielt (mittleres Foto ca. aus dem Jahr 1967).

Lange galt die Glücksgöttin dann als spurlos verschwunden, wie daneben die neuzeitige Aufnahme beweist - der ursprüngliche Standort ist leer. Beziehungsweise laut Inventarliste wurde diese Figur 1960 mit anderen Exponaten an ein Museum überführt.

1998 dann jedoch die Entdeckung schlechthin: im äußersten Winkel des Roseburg-Kellers wurden zerbeulte Reste der Figur gefunden, eine Wiederaufarbeitung wurde zu dem Zeitpunkt seitens des Instituts für Diagnostik und Konservierung am Landesamt für Denkmalpflege verworfen. (Siehe auch Beiträge "Mitteldeutsche Zeitung, Quedlinburg, 04/1998 und 10/1998").

Genau 10 Jahre später, im April 2008, nahm sich der nunmehrige Roseburg-Besitzer der bronzenen alten Dame an, restaurierte sie eigenhändig und brachte sie wieder an Ort und Stelle zurück.

Marmorfigur „Die Welle” im herrlichsten Jugendstil. Ein besonders krasses Beispiel an Verlust. Diese Figur hatte zu Sehrings Zeiten ihren würdigen Platz in der Nische unterhalb des Brückenbogens am Ende der langen Wasserkaskade. Vorsorglich wurde sie sodann im Georgsturm in einer Treppen-Nische aufgestellt, aber jüngst, im Jahre 2002, glattweg gestohlen! Ein unglaublicher Verlust und doch könnte der Täterkreis mit etwas Spürsinn durchaus eingegrenzt werden, denn Zutritt zum Wohnturm haben eigentlich nur Pensionsgäste und befugte Personen.

„Die Welle” war ein Geschenk des Bildhauers Prof. Ernst Seger an Bernhard Sehring.

Inzwischen konnte diese wunderschöne Skulptur wieder aufgefunden werden und wird sicher schon bald an einem geeigneten Platz innerhalb der Mauern der Roseburg ihr neues und geichzeitig altes Zuhause finden.

Das Romanische Zimmer, früher Obere Halle und inzwischen Rittersaal genannt, in seiner ganzen früheren und originalen Prachtausstattung. Die Wand ist ringsherum mit einer Mosaikbekleidung (heute noch bestens erhalten) geschmückt, welche von Sehring selbst entworfen und von Salviati in Venedig ausgeführt wurde.

Am Kamin 2 romanische, über 1000 Jahre alte, Löwen aus rotem Marmor. Im Kamin eine Ofenplatte vom 18. Oktober 1648 aus dem Rathaus zu Münster. Gut erkennbar die Kesselpauke aus der Zeit des Alten Fritz. Weiterhin war der Bereich mit Freskogemälden, altrömischen Reliefs und umfangreichen Kunstgegenständen bestückt. Alles jedoch pure Vergangenheit - nichts von dem ist mehr vorhanden, unauffindbar, wohl für immer verloren!

Sehringtypischer Berliner Bär mit Wappen - zwischenzeitlich kopflos gewesen, wie andere Statuen im Park ebenfalls.

Inventarliste in Originalschrift   Inventarliste „übersetzt”

Seltenheitswert hat diese handschriftliche Auflistung des Inventars vom einstigen „Großen Fremdenzimmer” im Wohnturm der Roseburg.

Im Original auf Pappkarton geschrieben, daher die zahlreichen Stockflecken. Die „Übersetzung” ist leider nicht ganz vollständig, da sich einige Wörter für uns nicht einmal ansatzweise erahnen, geschweige denn erlesen lassen. Dennoch wird sehr gut ersichtlich, über welche Originalausstattung das Zimmer einst verfügte.

Natürlich haben wir auch hier Recherchen angestellt, wollten den Verbleib von Kunstgegenständen wenigstens ansatzweise in Erfahrung bringen und haben im Jahr 2000 ganz gezielt jene Museen angeschrieben, die seinerzeit als Bestimmungsort aufgelistet wurden. Durchweg wurde ein Bestand an Roseburg-Gütern verneint, was unseres Erachtens nicht der Wahrheit entsprechen kann. Angst vor Rückforderungsansprüchen, Unkenntnis oder Desinteresse mögen die Gründe hierfür sein. Der Interessent kann gern drei von vielen Absagen nachlesen:


Stiftung Schlösser,
Burgen und Gärten LSA
07. Juni 2000

Stadt Quedlinburg
Dienststelle: Städtische Museen
20. Juni 2000

Meininger Museen
Kunstsammlungen
28. Juli 2000
Pressemitteilung Rolf Illmer zum Thema Kunstraub oder Behördenwillkür
Pressemitteilung von Rolf Illmer zum Thema Kunstraub oder Behördenwillkür, November 2009

Kunstraub auf der Roseburg? Behördenwillkür oder falsch verstandenes öffentliches Interesse?

Die Roseburg lebt von ihrer beeindruckenden Anlage und unweigerlich dem Sammelsurium von wertvollen Kunstgegenständen, die sowohl im Park als auch in der Burg enthalten sind – aber auch WAREN. Unter unserem Menüpunkt „Verträumt-Vergessen-Verschwunden“ sind wir bereits auf das sensible Thema der Rückübertragung, des blanken Diebstahls, Zweckentfremdung und der mühevollen Wiederbeschaffung eingegangen und haben auch eigene Recherche dazu angestellt. Manch verschollen geglaubtes Stück konnte in den letzten Jahren durch die großen Bemühungen des Besitzers wieder aufgespürt werden, doch dabei stößt er immer wieder an Grenzen. Sein Ehrgeiz ist es, die Sehringsche Sammlung, von Skulpturen, Gemälden bis Mobilar etc., weitestgehend auf die Roseburg zurückzuholen und wieder der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Aus diesem Grunde platzieren wir hier im Vorfeld der Veröffentlichung den Inhalt einer Pressemitteilung. Für den Inhalt zeichnet der Besitzer der Roseburg – Herr Rolf Illmer – verantwortlich, der sich nicht scheut Fakten und Namen zu nennen und über sämtliche Nachweise sowie Rechtsgrundlagen verfügt. Für sachdienliche Hinweise und Rückfragen steht er jederzeit zur Verfügung.

Rückkehr nach fast 60 Jahren - MZ-Artikel vom 04.06.2012
Rückkehr nach fast 60 Jahren - MZ-Artikel vom 04.06.2012

Rückkehr nach fast 60 Jahren

Ein schöner Erfolg ist Eigentümer Rolf Illmer bei der Wiederbeschaffung verschwundener Kunstgegenstände gelungen. Zwei der 1955 von der Roseburg zur Verwahrung an Quedlinburger Museen verbrachten Bilder durfte er nunmehr von der Stadt Quedlinburg wieder in Empfang nehmen. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete hierüber am 04.06.2012.