01.06.2005 - Lausitzer Rundschau

Architekt des Cottbuser Theaters

Vor 150 Jahren wurde Bernhard Sehring geboren

Die Cottbuser Stadtverordneten beschlossen am 1. November 1905 den Neubau eines Stadttheaters. 800 000 Reichsmark durfte es kosten. Den ausgelobten Architekturwettbewerb gewann Bernhard Sehring.

In Berlin, Bielefeld, Düsseldorf und Halberstadt hatte er zuvor gezeigt, dass er erfolgreich Theater bauen kann. Das Cottbuser Theater, das 1908 mit Lessings „Minna von Barnhelm” eingeweiht wurde, gilt in der Fachwelt als Sehrings reifste Leistung. Wenngleich man auch noch darüber streitet, ob es sich hier wirklich um Jugendstil oder vielmehr um einen Stilmix handelt.

Bereits 1895 beschreibt der Journalist und Theaterkritiker Alfred Kerr den Charakter dieses ungewöhnlichen Architekten so: „Er ist ein besonderer Typ des Empordringers . . . ein Gemisch von Künstlertum und Unternehmertum.” Ein Mann von Welt sei Bernhard Sehring gewesen, und immer habe er seine Träume verwirklicht, verwegen und optimistisch. Erhalten gebliebene Fotos zeigen einen selbstbewussten Mann mit buschigem Bart und willensstarkem Blick.

Am 1. Juni 1855 in Edderitz bei Köthen geboren, stammt Bernhard Sehring aus einer alten Dessauer Schauspielerdynastie. Die Verbindung zum Theater war ihm gleichsam in die Wiege gelegt. Beruflich hatte er schnell Erfolg, gewann Preise und Wettbewerbe. Bereits 1882 erhielt er für seine Entwürfe für die Berliner Museumsinsel den renommierten Schinkelpreis. Nach einem zweijährigen Italienaufenthalt machte er sich 1889 in Berlin mit einem eigenen Büro selbständig. 1896 baute er in Berlin -Charlottenburg das Theater des Westens. Ein repräsentativer Bau, der seinerzeit großes Aufsehen erregte und zugleich für heftige Diskussionen sorgte. Von den einen als „Gralsburg” verspottet, war es für die anderen ein genialer architektonischer Wurf. Noch heute wird das Theater als Musicaltheater genutzt. Aber auch Mietshäuser, Villen und ein Warenhaus sind auf dem Reißbrett des Architekten entstanden.

Ein Gutteil seines Erfolgs war seinem ausgeprägten Kommunikationstalent zu danken. Mit viel Geschick knüpfte Sehring Kontakte sowohl zu Künstlern als auch zu potentiellen Auftrag- und Geldgebern. Bei allem Künstlertum wurde Sehring immer auch ausgeprägte Geschäftstüchtigkeit bescheinigt.

Einen Einschnitt in der Karriere des erfolgreichen Architekten bedeutete ein folgenschwerer Unfall in Görlitz. Der Bau der dortigen Stadthalle ging zügig voran, bis am 9. Mai 1908 die Decke und eine Seitenwand einstürzten. Fünf Tote und elf Verletzte waren zu beklagen. Obwohl nachgewiesen werden konnte, dass nicht der Architekt die Schuld trug, blieb doch ein gewisser Makel an ihm haften.

Mehr und mehr zog sich Bernhard Sehring ins Privatleben zurück. Die Sommermonate verbrachte er auf der Roseburg, seinem großzügigen Anwesen nahe Ballenstedt. Am Ende seines Lebens setzte er seine Hoffnungen auf die Nationalsozialisten und wurde 1932 Mitglied der NSDAP. Am 27. Dezember 1941 starb Bernhard Sehring in seiner Wohnung am Berliner Kurfürstendamm.

Viele seiner Bauwerke sind dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen, so auch die Theater in Düsseldorf und Halberstadt. Um so erfreulicher ist, dass es couragierten Volkssturmleuten 1945 gelungen ist, das Cottbuser Theater vor der Sprengung zu bewahren. Im Krieg hatte es auch als Munitionslager herhalten müssen. In den 1980er Jahren ist das Theater einfühlsam restauriert und neue Bühnentechnik eingebaut worden. Im Oktober 1986 wurde es nach mehrjähriger Bauzeit wiedereröffnet.

VON KAREN SCHRÖDER