01.06.2005 - Mitteldeutsche Tageszeitung

Feste Bauten für die flüchtige Kunst

VON ANDREAS HILGER

Halle/MZ.Wenn der Beruf des Theater-Architekten wegen akuten Nachfrage-Mangels inzwischen nicht zu den aussterbenden Professionen zählen würde, wäre heute mindestens ein Festakt samt Ausstellung fällig. Doch da die Flüchtigkeit der Bühnenkunst offenbar selbst auf ihre Baumeister abfärbt, wird man den Namen Bernhard Sehrings am 150. Geburtstag wohl auch in überregionalen Medien vergeblich suchen. Dabei stehen - trotz schmerzlicher Verluste - noch immer Musterbeispiele seiner Kunst an exponiertem Ort.

Das anhaltische Dörfchen Edderitz würde als Ausgangspunkt seiner Karriere wohl kaum getaugt haben, wenn Sehrings Familie nicht beide Aspekte seines späteren Interesses in sich vereint hätte: Einerseits finden sich im Stammbaum zahlreiche Schauspieler und Sänger, die auch am Anhaltischen Hoftheater wirkten. Und andererseits war Sehrings Vater Amandus Herzoglicher Baumeister in Dessau, wo der Sohn schon bald seine Ausbildung begann. Nach Stationen in Braunschweig, Berlin und Halle gewann bereits der 26-Jährige den Schinkel-Preis für seine Entwürfe zur Berliner Museumsinsel, wenig später gründete er sein eigenes Architekturbüro in Berlin.

Dort entstanden nicht nur die Entwürfe für das Berliner Theater des Westens und den benachbarten Delphi-Palast, für den Umbau des "Wintergarten"-Varietés und für das Theater "Alt-Berlin". Sehring entwarf auch Stadttheater für Halberstadt, Bielefeld, Düsseldorf und Cottbus - wobei gerade das letztgenannte Haus als Paradebeispiel eines forcierten Jugendstils bis heute Größe und Grenzen des Urhebers zeigt. Denn Bernhard Sehring, der seine Handschrift gleichermaßen an altdeutschen und antiken Mustern schulte, war ein eklektischer Künstler - detailversessen und großspurig, funktional und eitel.

So ist der Zuschauerraum (ähnlich wie im heutigen Musical-Palast "Theater des Westens") derart dominant verziert, dass man bei minderwertigen Aufführungen lieber den Statuen als den Darstellern zuschaut. Wenn man sich zudem vergegenwärtigt, dass Sehring seine Meisterwerke nur wenige Jahre vor der Blüte des "Neuen Bauens" schuf, wird man sich seiner klasszistischen Haltung bewusst. Die zeigte sich auch in der "Walpurgishalle" am Hexentanzplatz oder der Ergänzung der Köthener Jakobskirche um eine Doppelturm-Fassade - und vor allem in seinem Alterssitz, der Roseburg bei Ballenstedt im Harz. Dieses kuriose Kleinod, in dem deutsches Fachwerk und griechische Skulpturen mit Zement zusammengehalten werden, ist der Ort, an dem man dem 1941 gestorbenen Architekten eine dauerhafte Würdigung zuteil werden lassen könnte - wenn sich denn ein neuer Eigentümer findet, der mit der nötigen kulturhistorischen Sensibilität ausgestattet ist. Immerhin ist mit dem Café auch der Park bereits jetzt für Besucher offen.